Gutachten vom 3. Juni 2003 zum Drehbuch des Films „Stauffenberg“*

 

Lieber Herr Dr.  Baier,

 

Ihr Drehbuch ist spannend, und wie mir scheint, obwohl meine fachmännische Kompetenz  für die geschichtliche Treue zuständig ist, dramatisch sehr gut.  Es zeigt auch, wie gründlich Sie sich in den Stoff eingearbeitet haben. 

 

Mein Eindruck von der Tendenz, die an entscheidenden Stellen greifbar wird, ist jedoch nicht so günstig.   An Schlüsselpunkten (Anfang, Wendepunkt, Schluss) sind negative Akzente plaziert und geben dem Ganzen eine negative Tendenz.  Dazu gehören die Erhängungen; der angebliche Streit zwischen Claus Graf Stauffenberg und Nina Gräfin Stauffenberg;  die Klosettszene mit der angeblichen Trunkenheit General Fellgiebels; die vielen Hinweise auf Stauffenbergs angebliche aber unbelegte Nervosität, Unsicherheit, Verzagtheit, wechselnde Entschlossenheit und Fassungslosigkeit wie z.B. in den Szenen 42, 61, 83, 99 und 100; die angebliche Unsicherheit Generaloberst Becks wie z.B. in den Szenen 94 und 118.  Es geht Ihnen, wie Sie mir erklärt haben, um die menschliche Würde der Beteiligten.  Sie brauchen deshalb nicht als Helden dargestellt oder stilisiert zu werden.  Aber sie haben die Tat gewagt, und zwar aus dokumentierten ethischen Motiven heraus, im Gegensatz zu den Millionen und Millionen anderen Deutschen, die selbst in ihrem begrenzten Lebenskreis gegen das Verbrecherregime nicht Stellung genommen haben.  Die negativen Akzente im Drehbuch entwürdigen die Toten des Aufstandes gegen Hitler. 

 

Über Szene 1 haben wir schon gesprochen.  Ich weiss, dass mehrere Filmproduzenten bzw. Drehbuchautoren nach dem Film oder den Filmen suchen, die von den ersten und vielleicht auch weiteren Hinrichtungen nach dem 20.7.44 gedreht wurden.  Ich bin nicht allein mit meiner Auffassung, dass diese Filme nicht, auch nicht in Auszügen, gezeigt werden können.  Das Zeigen dieser Filme, selbst in Auszügen, wäre ein extremer und unannehmbarer Eingriff in die Privatsphäre der Dargestellten und der Betroffenen, und es wäre für die Gefühle der Angehörigen unerträglich.  Man hätte auch mit rechtlichen Konsequenzen zu rechnen.   Mir ist übrigens kein Fall von einer filmischen öffentlichen Darstellung einer Hinrichtung bekannt.  In Spielfilmen werden meines Wissens nur gestellte Szenen gezeigt.  Ich rate also grundsätzlich ab von der bildlichen Darstellung der Hinrichtung, gleichgültig ob es im Original oder als gestellte Szene geschähe. 

 

Szene 3 [Stauffenbergs letzter Besuch in Bamberg] entbehrt in ihrem Tenor von Spannung, Streit, Trennung mit harten Worten jeder Grundlage.  Niemand hat je eine solche Szene überliefert.  Auch davon sprachen wir schon. 

 

Szene 28 zeigt Fellgiebel "angetrunken" mit offener Hose am Boden liegend.  Für diese Abscheulichkeit ist mir kein Beleg bekannt.  Wenn Fellgiebels gelegentlicher Mangel an Diskretion dargestellt werden soll, ist das in dezenter und in nicht entwürdigender Form möglich. 

 

Die Szenen 83, 99 und 100 stellen Stauffenberg als Zweifler und Zögerer, sogar als emotional labil hin, was er nicht war.  Er kann nur als mit aller Energie Handelnder zutreffend dargestellt werden.  Die Fakten lassen keine andere Auffassung zu. 

 

Szene 119 endet mit Hitlers Tirade gegen "eine ganz kleine Clique ehrgeiziger, gewissenloser und zugleich verbrecherisch dummer Offiziere", d.h. mit dem hassvollen Epitaph, das die Goebbels-Propaganda emsig verbreitete und das noch heute weiterwirkt.  Die nachfolgende Tresckow-Episode schafft dagegen kein genügendes Gegengewicht. 

 

Soviel zu den hauptsächlichen negativen Akzenten. 

 

Nun zähle ich noch Einzelstellen auf, an denen ich die Fakten für fragwürdig oder unzutreffend halte.  Zum Faktischen gehört auch die Sprache der damaligen Zeit. 

 

Szene 1:  Für Yorcks "Hoppla" und den restlichen Dialog gibt es keine Belege.  Ich kenne auch keinen Beleg dafür, dass der Henker den Generalstaatsanwalt in der dargestellten Weise unterbrochen habe.  Die witzig sein sollenden Bemerkungen des Henkers sind, unabhängig von ihrem nicht verifizierbaren Wahrheitsgehalt so abstossend wie die ganze Hinrichtungsszene.  Kameraeinstellungen auf das Äussere und Innere des Hinrichtungsschuppens in Plötzensee mit einer würdigen Erzählung hätten dagegen die von Ihnen zweifellos intendierte Wirkung. 

 

Szene 2:  Ist der Dialog Dr. Hanssen-Hitler (zu weite Hosen .. stranguliert usw.) belegt?  Auch wenn er belegt wäre, gälte dasselbe wie für Szene 1. 

 

Szene 3:  Stauffenberg erklärte sicher nicht seinem Sohn, dass es erlaubt sei, dass er ihn in den Arm nehme.  -  Die ganze Szene wäre besser als Dokument von Stauffenbergs Energie und Entschlossenheit zu konzipieren. 

 

Szene 4:  Ob ein Oberst 1. Klasse fahren durfte, weiss ich nicht.  Direktor Dr. M.Kehrig, Bundesarchiv-Militärarchiv, Freiburg i.Br., könnte darüber Auskunft geben.  

 

Szene 8:  Stauffenberg trug seine belgische Armee-Pistole am 20.7.44 gesichert und nicht durchgeladen, wie der Schusswechsel am 20.7.44 in der Bendlerstrasse zeigt.  Die Szene 8 ist also unwahrscheinlich, da Stauffenberg die Pistole gegen den Gestapomann nicht hätte benützen können, ohne sie erst, unter seinen rechten Armstumpf geklemmt, durchzuladen. 

 

Szene 12:  Yorcks "wild entschlossen" ist ein falscher Ton, "entschlossen" wäre wahrscheinlicher.  Warum sagt Stauffenberg, als er Yorck antwortet, "Adam"?  Schulenburgs "kampflos kriegt mich keiner" ist theatralisch und uncharakteristisch.  Da die Szene im Juli 1944 spielt, hatte Tresckow kein Kommando; er war seit 1.12.43 Chef des Generalstabes der 2. Armee. 

 

Szene 19:  Berthold Stauffenberg trug wahrscheinlich die blaue Marineuniform. 

 

Szene 21:  Die Szene ist so unbelegt.  Ferner ist sie unwahrscheinlich.  Ein Sturmbannführer hätte dekorierte und martialische Soldatengestalten wie Oberstleutnant i.G. von Stauffenberg und Oberst i.G. von Tresckow (beide mit den roten Streifen des Generalstabes an den Hosen) anders angesprochen.  Stauffenbergs und Tresckows Erstarren ist uncharakteristisch und unglaubwürdig, ebenso Stauffenbergs wenig brilliante an den Sturmbannführer gerichtete Antwort. 

 

Szene 27:  Für Datum und Inhalt des Gesprächs kenne ich keine Quelle.  Ein Gespräch mit ähnlichem Inhalt mit Herwarth im Mai 1942 wäre denkbar, wenn auch nicht in dieser Ausführlichkeit und ohne den Nadja-Faktor.  Weitere Gespräche über die Ermordung der Juden führte Stauffenberg im August 1942 in Winnitza mit Kuhn und Berger.  Für diese drei Episoden, im Gegensatz zu der hier dargestellten mit Tresckow, gibt es historische Anhaltspunkte.  Andererseits erklärte Tresckow gegenüber Margarethe von Oven im Sommer oder Herbst 1943, dass die Ermordung der Juden "das Schlimmste" sei, und jedenfalls nicht der schlechte Kriegsverlauf, da Krieg ja schliesslich das Handwerk des Soldaten sei. 

 

Szene 29:  Das müsste Ende Januar 1943 gewesen sein, Stauffenberg war allerdings vielleicht noch am 1. und 2. Februar in "Mauerwald". 

Klosett-Szene und Trunkenheit Fellgiebels siehe oben.  Stauffenberg und Fellgiebel kannten sich, mindestens seit 26.1.43 (Mansteins Hauptquartier, Saporoshe); die gegenseitige Vorstellung ist also unverständlich, es sei denn, Fellgiebel wäre sinnlos betrunken gewesen und Stauffenberg hätte ihn nicht in Verlegenheit bringen wollen, wofür es aber keinen Anhaltspunkt gibt.  Die ganze Szene ist abstossend und unbelegt. 

 

Szene 30:  "Vergessen wir die Titel" kann Stauffenberg nicht gesagt haben.  Oberstleutnant ist kein Titel, sondern eine Rangbezeichnung.  Ich kenne auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass Stauffenberg einem Untergebenen gesagt hätte, er solle die Rangbezeichnung nicht verwenden.  Der Gedanke stammt wohl aus der heutigen Mentalität, in der Studenten zu ihren Professoren nur noch Herr Schmid sagen.  "Sie hau´n mir aber jetzt nicht ab, mein Junge":  statt "mein Junge" wäre "Mensch" zeitgenössisch und plausibel.  Die Szene endet in reiner Phantasie. 

 

Szene 32:  Stauffenberg lag in Deckung und hatte die Hände auf dem Kopf, als er getroffen wurde. 

 

Szene 33:  Ist der Inhalt belegt?  Stauffenberg hat den Verlust seiner Hand sicher nicht erst von seiner Frau, sondern schon auf dem Hauptverbandplatz in Tunesien erfahren.  Für den Dialog gäbe es verbürgte Äusserungen von Stauffenberg, aber die im vorliegenden Dialog enthaltenen gehören nicht dazu. 

 

Szene 34:  Stauffenbergs Leidenwollen, weil er sich mitschuldig fühle, entspricht keinem bekannten Charakterzug Stauffenbergs.  Dagegen ist verbürgt, dass Claus und Alexander gegen Schmerzen wenig empfindlich waren, Berthold dagegen sehr.  "Wir müsen schon selber etwas ändern":  Hier sollte das Motiv der Morde an den Juden, an der sowjetischen Zivilbevölkerung und an den sowjetischen Kriegsgefangenen nicht fehlen. 

Der Ausdruck "die Regierung stürzen" klingt seltsam; besser vielleicht "Hitler beseitigen". 

 

Szene 35:  Der Fahrer war mit grosser Sicherheit kein Leutnant.  "Leutnant" Kretz fuhr Stauffenberg und Haeften etwa um 13 Uhr zum Flugplatz, Kretz war aber damals Fähnrich. 

 

Szene 35 und 36:  Woher weiss man, in was für einem Wagen Stauffenberg, Haeften und Stieff am Vormittag gefahren wurden?  Woher stammt der Bericht über den Kübelwagen? 

 

Szene 38:  Die Erwähnung der Juden durch Möllendorf und Thadden ist unwahrscheinlich und unmotiviert, sofern es dafür keine direkten Belege gibt.  Sie ist auch nicht repräsentativ für die Dialogkultur im Führerhauptquartier, und in der Wehrmacht überhaupt waren Gespräche über Juden weit seltener, als die sogenannte Wehrmachtausstellung wohl suggeriert.  Eine blonde junge Serviererin hat es ganz sicher nicht gegeben.  Sie könnten aber Herrn Christoph Scheibler, Lortzingstr. 9, 50931 Köln-Lindenthal fragen, der dabei war.  Meines Wissens hat Stauffenberg mit Appetit gefrühstückt, und zwar Krebse. 

 

Szene 40:  "Heil Hitler, die Herren" hat man nicht gesagt, es sei denn, man wollte unter Freunden blödeln. 

 

Szene 42:  "Sie sind doch ein intelligenter Mann" hat Keitel sicher nicht zu Stauffenberg gesagt.  Stauffenbergs Beunruhigung, Nervosität usw. sind uncharakteristisch und unbelegt, belegt ist das Gegenteil, nämlich äussere Ruhe, Kühle und dienstliche Korrektheit. 

 

Szene 46:  Das Austreten der Säure konnte man nicht sehen.  Aus dem Schauloch musste man einen biegsamen Sicherungsstift herausziehen und dann konnte man sehen, ob der Schlagbolzen noch oben und von der Spiralfeder gespannt gehalten war.  Vogels Bericht enthält keine Erwähnung Fellgiebels.  -  "Vogel geht, lässt jedoch die Tür ..":  Vogel war eben nicht gegangen, sondern an der Tür stehen geblieben. 

 

Szene 51:  Stauffenberg war nicht "Stellvertreter des BdE in Berlin", sondern Chef des Generalstabes beim Chef der Heeresrüstung und Befehlshaber des Ersatzheeres, und Keitel hätte auch nicht "BdE in Berlin" gesagt, sondern "Generaloberst Fromm".  -  Stauffenberg sagte nicht, "ich lasse die Mappe hier".  Für die Dislozierung von Stauffenbergs Aktentasche gibt es keinen Beleg, obwohl Stauffenberg natürlich mit ihr rechnen musste.  Folgenschwer war aber zuerst das Zurücklassen der Hälfte des Sprengstoffs. 

 

Szene 55:  Stauffenberg sagte nicht "Fellgiebel" zu Fellgiebel, sondern "Herr General". 

 

Szene 60, Ende:  Beim Militär sagte man auf eine Anweisung hin nicht "jederzeit", sondern "jawohl", besonders zu einem hohen Vorgesetzten, den man nicht kannte. 

 

Szene 61, Ende:  Ebenso:  Nicht "Heil Hitler", sondern "jawohl" oder was auf die Worte vom andern Ende passt.  -  Immer wieder sind Anzeichen für Stauffenbergs Nervosität eingeschoben, für die es keinerlei Beleg gibt. 

 

Szene 64:  Die Melodramatik hier ("Du hast es geschafft, Claus!!!"  "Ich hab´s getan... Werner... " "Ich versuch´s..." usw.) klingt nach Courths-Mahler.   So haben Stauffenberg und Haeften sicher nicht gesprochen.  Warum lässt man sie nicht sachlich und nüchtern reden? 

 

Szene 66:  Welche Quelle haben Sie für einen Besuch Tresckows bei Stauffenberg im Lazarett? 

 

Szene 67:  Wodurch ist Tresckows Anwesenheit bei dem Gespräch Stauffenbergs mit Olbricht belegt? 

 

Szene 70:  "Wir behaupten ganz einfach" klingt leichtfertig und uncharakteristisch.  Besser ohne "ganz einfach". 

 

Szene 71:  Fromms und Stauffenbergs Zimmer waren durch ein Kartenzimmer getrennt.  Dieses hatte vielleicht gar keine Glastür, sicher keine zwei durchsichtigen Glastüren, und selbst durch zwei durchsichtige Glastüren hätte man Fromm nicht sehen können. 

 

Szene 72:  "Geradezu" würde ich streichen.  Dann wirkt die Aussage stärker. 

 

Szene 74:  Thiele sollte identifiziert werden. 

 

Szene 77:  Remer war HJ-Führer gewesen, aber sonst nicht als Nationalsozialist bekannt, eigentlich wurde er erst nach dem Krieg ein richtiger Nazi.  Haben Sie einen Beleg dafür, dass er damals "überzeugter Nazi" war?  Er brauchte seinen Soldaten keine Erklärungen zu geben, nur Befehle.  Er sprach sie sicher nicht so an ("unser über alles geliebter Führer"), und ich halte es für ausgeschlossen, dass er vor Rührung nicht weitersprechen konnte. 

 

Szene 80:  Entspricht nicht den dokumentierten Vorgängen.  Olbricht hatte nach Haeftens Anruf vom Flugplatz, der die Rückkehr Stauffenbergs meldete, dem Drängen Mertz´ nachgegeben und die ersten Anweisungen und Befehle erteilt, sowie der Vorlage der "Walküre"-Befehle bei Fromm zugestimmt.  Olbricht war noch vor Stauffenbergs Rückkehr in die Bendlerstrasse mit Mertz bei Fromm gewesen, um die Herausgabe der "Walküre"-Befehle genehmigen zu lassen.  Er hatte also die Nachricht, Hitler sei tot, akzeptiert.  Er konnte nicht Stauffenberg fragen, was hier los sei. 

 

Szene 81:  Bitte entnehmen Sie den richtigen Dialog aus Widerstand, Staatsstreich, Attentat, 4. Auflage 1985, S. 519.  Die emotionalen Äusserungen ("glauben Sie, ich lüge, Herr Hoepner?") sind uncharakteristisch.  Stauffenberg hat Hoepner sicher nicht seine Rangbezeichnung verweigert.  Olbricht hat sicher nicht "Claus" gesagt, vermutlich aber bloss "Stauffenberg" ohne Rang, was ein General gegenüber einem Oberst konnte, aber nicht umgekehrt. 

 

Szene 82:  Fritzsche ist nicht in der Aufzählung erwähnt.  Stauffenberg sagte sicher nicht "ich hab´s getan!  Berthold!  ich hab´s getan!".  Eher vielleicht:  "Der Kerl ist tot."  -  Mertz war kein "unscheinbar wirkender Mann", sondern eine imposante Erscheinung, wenn auch nicht ganz so gross wie Stauffenberg. 

 

Szene 83:  Stauffenbergs Jammern um Tresckow und der gegenüber Haeften ausgesprochene Zweifel haben keine dokumentarische Grundlage und sind ausserdem uncharakteristisch.  Das Abnehmen des Hitler-Porträts, falls eines da war, ist unwahrscheinlich. 

 

Szene 85:  Welche Quelle haben Sie für Stauffenbergs Anwesenheit im Fernschreibraum?  Wenn das nicht belegt ist - mir ist davon nichts bekannt -, ist es unhaltbar.  Die Vorstellung, dass der Oberst i.G. und Chef des Generalstabes beim ChefHRüst und BdE die Rolle eines diensthabenden Leutnants übernimmt, ist absurd. 

 

Szene 86:  Glasmeiers Sabotage ist unmotiviert.  Zwinkern als Methode ist fragwürdig; es setzt eine Absprache voraus, da der zu sabotierende Vorgang nie vorher stattgefunden hat, der Betrachter erfährt jedoch nichts von einer solchen Absprache. 

 

Szene 87:  Becks Zweifel, an denen diese ganze Beck-Episode hängt, sind unbelegt.  Beck zeigte im Gegenteil Entschlossenheit (s. Widerstand, Staatsstreich, Attentat, S. 523).  Der Ausdruck "Staatsoberhaupt spielen" ist ungemäss.  "Aber was sagt Helldorf .. wenn Himmler oder Goebbels .. Also:  Ganz egal .." stellt ein plötzliches Umschwenken Becks dar, das nicht stattgefunden hat.  Stauffenberg sagte "Herr Generaloberst" zu Beck, nicht "Beck". 

 

Szene 89:  "Haltet sie fest! ... Ausgang sperren!" ist zu wortreich. 

 

Szene 91:  "Er ist unser neues Staatsoberhaupt":  Das hat Hoepner dem Sinn nach schon zu Beginn seiner Ansprache gesagt; der hier geb[r]auchte Ausdruck ist zu gemütlich.  Was ist die Quelle für Becks Ansprache?  Hoepner sprach von einer grossen Stunde.  Beifall klatschen ist in dem militärischen Milieu nicht denkbar. 

 

Szene 92:  Major Remer kann nicht mit einem Leutnant über die Ausführung eines Befehls von Goebbels diskutieren. 

 

Szene 94:  Becks Unsicherheit ist nicht belegt. 

 

Szene 96:  Was ist die Quelle dafür, dass Stauffenberg, sein Bruder und Schulenburg am Radio von Hitlers Überleben gehört haben?  Es entspräche dagegen den verbürgten Vorgängen, dass Stauffenberg unermüdlich am Telephon die Anfragen aus den Wehrkreisen beantwortete und auf die Ausführung der gegebenen Befehle drängte. 

 

Szene 97:  Olbrichts, Becks, Haeftens und Mertz´ Erstarrung widerspricht ihrem verbürgten Verhalten.  Allenfalls Olbricht mag Unsicherheit gezeigt haben, wie Gisevius berichtet. 

 

Szene 98:  Wurden diese Namen in der Rundfunkmeldung genannt? 

 

Szene 99:  Dialog uncharakteristisch und nach allen Berichten unwahrscheinlich. 

 

Szene 102:  Welche Quelle benützten Sie für die Rolle von Bernardis?  -  Stauffenberg unterschrieb nicht als Befehlshaber, sondern paraphierte für die Richtigkeit.

 

Szene 103:  Quelle für Röhrigs Schneiden seiner Nasenhaare?  

 

Szene 106:  Die "SS" in Paris, eigentlich die Gestapo, wurde erst nach 22.30 Uhr verhaftet. 

 

Szene 107:  Warum sollte Witzleben in Paradeuniform erschienen sein?  Quelle? 

 

Szene 108:  "Bewacher" redete Stauffenberg mit "Herr Oberst" an. 

Witzleben sagte wohl kaum "Herr Stauffenberg", so redeten sich Generale gleichen Ranges untereinander an. 

 

Szene 109:  "Wie Sie meinen":  So kann ein Leutnant nicht einem Oberst antworten. 

 

Szene 112:  Olbricht:  "Ich danke Ihnen, Lancken ... Das ist alles."  Das war nicht alles.  Wenn man Olbricht schon "Das ist alles" sagen lässt, muss er wenigstens die Verbrechen des Regimes im allgemeinen erwähnen. 

 

Szene 114:  "Oh doch!  Ich bin ein Gegner Hitlers!  Schon seit langem."  Diese Äusserungen sind unplausibel.  Wahrscheinlicher:  Ein militärisch knapper Widerspruch. 

 

Szene 115:  Nach dem Bericht seines Fahrers hat Stauffenberg einen Schuss auf Pridun abgegeben. 

 

Szene 116:  Der sentimentale Dialog zwischen Claus und Berthold Stauffenberg ist unbelegt und unwahrscheinlich, er passt zu keinem von beiden.  "...und meine rechte Hand ist deine...":  Soll das eine Anspielung auf Stauffenbergs Verstümmelung sein?  Kein guter Einfall. 

 

Szene 118:  "Das Schweigen bleibt ...":  Melodrama.  Nur "denken Sie an unsere gemeinsame Soldatenzeit" ist dem Sinn nach belegt.  Becks Zaudern, Becks Schwäche entwürdigen ihn, sind unbelegt, ebenso das Gerede vom sinnlosen Tod.  Der Dialog wird immer wieder zu redselig, zu wenig militärisch kurz.  Fromm redete mit Sicherheit nicht sentimental ("wo Sie mir immer gegenüber sassen").  Stauffenberg dürfte geschwiegen haben, der Ausspruch von der armen Seele ist ungemäss.  "Fromm .. Leutnant Schady, Sie nehmen..":  Erst kam das Urteil, dann die Vollstreckung. 

 

Szene 119:  Wurden die zu Erschiessenden namentlich aufgerufen?  Ich kenne keinen Beleg dafür.  Nach den Berichten wurden sie einzeln an die Stelle geführt, wo sie erschossen wurden.  Schluss:  Zu Hitlers hassvollem Epitaph s. oben.  Die nachfolgende Tresckow-Episode genügt meines Erachtens nicht als Gegengewicht gegen die Hitler-Goebbels-Propaganda.  Ein Gegengewicht könnte a) durch einen Kommentar hergestellt werden, der die Hitler-Äusserung als hasserfüllt und falsch bezeichnet, und b) durch sofortige Widerlegung mit Auszügen von etwa zehn Zeilen aus den Ermittlungsergebnissen der Gestapo, vielleicht durch Hitlers Befehl, Erklärungen der angeklagten Verschwörer vor Gericht zu verhindern. 

 

Zusammenfassend wiederhole ich, dass ich Ihr Drehbuch für dramatisch gut und spannend halte.  Der Natur der Sache entsprechend kommentieren die vorstehenden Anmerkungen nicht alle die richtigen bzw. gelungenen Passagen im Drehbuch, sondern sie dienen der Korrektur fragwürdiger oder sachlich unkorrekter Stellen.  Das Drehbuch enthält jedoch zu viele negative Akzente.  Die Verschwörer waren keine Heiligen und sie brauchen nicht dazu stilisiert zu werden.  Sie waren aber Menschen mit besonderem Verantwortungsbewusstsein, mit Opfersinn, und mit mehr Charakter und Festigkeit als die Millionen ihrer Zeitgenossen, die darauf bedacht waren, ihre Haut zu retten - oder blindwütig zu morden und zu zerstören. 

 

Falls Sie es noch nicht kennen, empfehle ich Ihnen meine kurze Stauffenberg-Darstellung:  Stauffenberg und der 20. Juli 1944, Reihe Wissen, C.H.Beck Verlag, München 1998, 92 Seiten Text. 

 

Mit allen guten Wünschen und herzlichen Grüssen,

 

Ihr

 

Peter Hoffmann

 



*  Nachträglich erläuternde Einfügungen sind durch [ ] bezeichnet.